Erlebnisse und Rezepte binationaler Familien

Bilinguale Erziehung – leichter gesagt als getan

Wenn beide Elternteile unterschiedliche Muttersprachen haben, bespricht man in der Regel vor der Geburt eines Kindes, wie mit dem Thema Mehrsprachigkeit umgegangen werden soll. Die klassische Empfehlung lautet: Jedes Elternteil sollte konsequent seine Muttersprache sprechen, da diese meist fehlerfrei beherrscht wird und so dem Kind am flüssigsten und intuitivsten beigebracht wird. Aber was tut man, wenn man sein halbes Leben lang konsequent Spanisch und danach die zweite Lebenshälfte ebenso konsequent Deutsch gesprochen hat? Hinzu kommt ja auch das Umfeld: Will sagen, wenn wir in einem Supermarkt oder einer Straßenbahn sind und unser Kind auf Deutsch J. etwas fragt, ist es in der Realität recht merkwürdig für ihn auf Spanisch zu antworten. Oft macht das die Kommunikation sehr holperig, da man nicht selten wenig Zeit hat und effizient kommunizieren muss. So haben wir einen Weg gefunden mit unserer Tochter einfach öfter spanische Lieder zu singen oder spanische Geschichten vorzulesen. Außerdem skypt J. regelmäßig mit seiner Familie oder wir haben Spanisch sprachigen Besuch, so dass die Sprache bei uns dazu gehört. Interessant war die Erkenntnis, dass unsere Tochter Spanisch zu verstehen scheint, wenn sie auch nicht in dieser Sprache antwortet. Bei unserem letzten Besuch in Peru (da war sie 3,5 Jahre alt), hat sie jedenfalls in vielen Fällen auf eine spanische Ansprache reagiert (genickt, entsprechende Sachen geholte, mit ihren Cousins gespielt etc.). Man wird wohl erst viel später feststellen, was tatsächlich alles bei ihr hängen geblieben ist. Mich persönlich nerven aber die schlauen Hinweise von Leuten, die sagen, was für eine tolle Chance unsere Tochter durch die zweisprachige Erziehung doch habe, die aber nicht wissen, was dieses im Alltag tatsächlich bedeutet.

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Comments (8)

  • ich hatte gestern zu eben diesem Thema mit der Erzieherin meiner Tochter gesprochen. Sie meinte, es kommt mit der Schule, weil die Kinder dann registrieren, dass sie dadurch einen echten Vorteil haben. Das tröstet jetzt natürlich nicht darüber hinweg, dass es heute noch nicht so gut läuft. Meiner Meinung nach, macht es auch einen Unterschied, ob die Person die nicht Deutsch redet mehr Zeit mit dem Kind verbringt als der derjenige Teil, der Deutsch redet. Bei uns spricht der Papa Französisch, aber ich als Mutter verbringe mehr Zeit mit ihr und rede Deutsch. Da ist der Anreiz Französisch zu sprechen nicht gross. Aber man muss es einfach durchziehen, auch wenn es schwer ist. Und Paw Patrol auf Französisch hält man besser als, weil ich es nicht verstehe. Die Tochter schon.
    Also bleibt tapfer und durchziehen.

    • Danke für den interessanten Beitrag. Ich finde es wahnsinnig spannend zu hören und zu lesen, wie andere Familien mit diesem nicht ganz einfachen Thema umgehen. Es bleibt aber auch etwas die Angst, dass sie keine Sprache so richtig perfekt spricht. Wir geben unser Bestes.

      • Mach dir nicht so viel Gedanken. Wir kennen so viele Eltern, die in der gleichen Situation wie ihr seid. Wenn ihr hinter der Zweisprachigkeit steht und da mit Freude dran geht, so wie mit euren tollen Kinderbüchern, dann liebt es eure kleine Maus auch. Und wenn die Kleine immer mitbekommt, wie ihr Spanisch mit Freunden, Familie sprecht und am Ball bleibt, dann wird sie es übernehmen.

        Dein Zitat: Will sagen, wenn wir in einem Supermarkt oder einer Straßenbahn sind und unser Kind auf Deutsch J. etwas fragt, ist es in der Realität recht merkwürdig für ihn auf Spanisch zu antworten. Oft macht das die Kommunikation sehr holperig, da man nicht selten wenig Zeit hat und effizient kommunizieren muss.

        Ich glaube, wenn J. es öfters aus vollem Herzen praktizieren würde, wäre es eventuelle auch weniger holprig. Übung macht den Meister und wie wir an der aktuellen Situation sehen: Wir Menschen gewöhnen uns an neue Situationen und in allem liegt auch immer etwas Positives und eine Chance 🙂

        Ich drücke euch die Daumen.

  • Diese Angst ist m. E. Unberechtigt. Deutsch lernt sie auf alle Fälle korrekt, denn Kindergarten, Schule werden das richten. Und du ja wohl auch. Es sei denn sie hängt später nur mit Sprachfaulen rum. Aber da kannst du ja auch in der Erziehung gegensteuern.

  • Bonjour ,
    Ich möchte heute zum Thema „Zweisprachigkeit“ etwas hinzufügen. Mein Mann wurde in Indien geboren, ist aber in Deutschland in den 80er Jahren aufgewachsen, einer Zeit, in der es noch hieß, man solle Kinder diesbezüglich nicht überfordern. Der Kinderarzt riet seiner Familie, doch bitte nur Deutsch zu sprechen und kein Hindi, obwohl alle Familienmitglieder untereinander Hindi sprachen. Heute wirft er es seiner Familie vor, denn bis auf 3, 4 Sätze versteht er die Sprache nicht…sieht aber aus wie ein Inder.
    Da ich in einer typischen deutschen Familie groß geworden bin und meine Eltern mir Latein quasi aufgezwungen haben (damit hast du viel mehr Möglichkeiten, Kind!), hatte ich mich mit 17 durchgesetzt und Latein abgewählt, um mit Französisch zu beginnen. Meine Frage an meine Eltern war immer: Wofür brauche ich eine Sprache um eine andere zu lernen??? Warum lerne ich nicht gleich eine Sprache, die ich sofort anwenden kann??? Als ich nun mit einer lebendigen Sprache in der 11. Klasse begonnen hatte, war es sofort um mich geschehen. Ich habe mich in diese Sprache, das Land und die Leute verliebt und seitdem alles darangesetzt, diese Liebe weiterzuverfolgen .

    Natürlich bleibt mein deutscher Akzent, weil ich viel zu spät Französisch gelernt habe, aber ich ging nach dem Abitur für 1 Jahr als Au-Pair in die Provence und studierte dann sogar Französisch, was mich wahnsinnig weit nach vorne brachte. Und dann lebte ich 8 Jahre mit meinem Mann in Lyon und unser Sohn Louis kam dort zur Welt. Gepackt von dem Ehrgeiz, u. a. unseren Familien zu zeigen, wie toll die Zweisprachigkeit ist, versuchten wir dort so lange zu bleiben wie es der Arbeitsvertrag meines Mannes zuließ. Nicht, dass wir es nicht liebten Als unser Sohn 3 Jahre alt war, zogen wir nach Düsseldorf und seitdem geht er auf die französische Schule. Wir haben nicht nur französische Freunde, nein, unser Sohn spielt mit beiden Sprachen, weil wir es ihm vorleben. Wir stehen hinter der Zweisprachigkeit und das spürt er auch. Er liebt es vor allen Dingen, wenn er in der Öffentlichkeit eine Geheimsprache benutzen kann. Natürlich macht er im Deutschen Fehler, die ein „normales“ einsprachiges Kind nie machen würde, aber da stört uns nicht so sehr. Wir korrigieren ihn und er akzeptiert das und versucht es beim nächsten Mal zu verbessern. Jeder hat das wahrscheinlich eine andere Meinung zu, aber uns ist es wichtiger, dass er 2 Sprachen beherrscht. Wenn er größer ist, wird er noch an seinem Stil arbeiten können .

    Im Homeschooling frische auch ich nebenbei meine Französischkenntnisse auf, wenn zum Beispiel wie diese Woche das Thema Bienenstock und die Arbeit der Bienen behandelt wird und unser Sohn Arbeitsblätter und Videos hierfür bearbeiten muss. Er hat auch kein Problem damit, wenn ich den ganzen Tag mit ihm auf Französisch kommuniziere. Er korrigiert mich manchmal (so wie ich ihn) und amüsiert sich dabei.
    Und unsere Familien? Ja, die sind baff, dass wir das als deutsche Muttersprachler durchgezogen haben.

    • Liebe Martina, vielen Dank für den super interessanten Beitrag. Wirklich spannend wie euch drei das Thema Sprache in unterschiedlicher Art und Weise im Leben begleitet! Ich bin übrigens auch der Auffassung, dass nur das Leben in jeweiligen Land eine Sprache wirklich durch und durch verinnerlicht, denn Sprache ist Ausdruck der Menschen, die dort leben. Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft.

  • Genau, am allerbesten und intensivsten ist natürlich das “Leben” im Land, um die Sprache zu lernen. Bin auch sehr gespannt, wie es sich bei euch weiterentwickelt.

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