Erlebnisse und Rezepte binationaler Familien

Lockenkopf

Stolzer Lockenkopf oder warum ein Afro mehr ist als nur eine Frisur

Wie es eigentlich für eine deutsche Mutter, ein binationales Kind zu haben … und vor allem mit einer völlig neuen Art der Haarpflege auseinander zu setzen.

„Marie, Marie, deine Haare sind sooooo schön.“ ruft Sam quer über den Hof. Marie kommt näher, wirft ihren Kopf zurück, streicht sich mit der Hand über die fünf kleinen geflochtenen Zöpfe und erwidert: „Ja, ich weiß.“

Was mir an diesem kleinen Dialog von zwei dreijährigen Kindern gefällt? Zum einen, finde ich es als Mutter eines Mädchens mit afrikanisch-deutschen Wurzeln grandios, dass Sam Maries Haare zu einer „Liebesbekundung“ anregten und zum anderen macht es mich stolz, dass Marie selber mit ihrem Äußeren zufrieden ist.

Bei Marie hat sich der aus Togo stammende Vater sehr stark durchgesetzt. Sie hatte von Geburt an sehr viel Haar; anfangs eher glatt und nun in Richtung Korkenzieherlocken wie das Foto bereits zeigt. Ich als Mutter mit typisch europäischem Haar stand nun vor der Herausforderung Maries Mähne zu pflegen. Anfangs wollte ich ihre Haare locker zum Zopf binden oder offen lassen. Warum wollte ich solche einfach zu pflegenden Haare für meine Tochter? Weil ich es so kenne und schön finde. Aber auch, und da bin ich ehrlich, damit Marie es mal leichter im Leben haben sollte, als all die anderen Menschen mit ausgeprägtem Afro. Denn es ist immer noch so, dass viele Menschen diese Art Haare als fremdartig, verstörend oder gar ungepflegt wahrnehmen.

Auch wir haben das erlebt: Die eine Mutter, die beiläufig wissen möchte, wie ich diese “strohigen” Haare überhaupt kämmen kann; die Leute, die Marie auf der Straße in die Haare fassen wollen, um mal “solche Haare” zu spüren oder diejenigen, welche die Haare zum Anlass nehmen zu fragen, ob sie mein Kind sei. Es gibt natürlich auch Menschen, die sagen, sie habe ja so einen “schönen Lockenkopf”. Aber wird dieser schöne Lockenkopf später auch auf Bewerbungsfotos als solcher anerkannt oder muss er geglättet werden, wie es z.B. in den USA üblich ist?

Die eigene und die fremde Erwartungshaltung an die Haare meiner Tochter gipfeln in einer sehr aufwändigen Haar-Routine, die sich über die Jahre entwickelt hat, um die natürliche Haarstruktur zu optimieren und ihrer Strahlkraft zu verhelfen. Ich wünsche mir, dass Marie auf ihre Herkunft stolz ist und damit auch ihre Haare als das akzeptiert was sie sind: eine Hommage an kraftvolle, weiche und gepflegte Locken, die man zur Palme tragen kann, in kleinen geflochtenen Zöpfen mit bunten Gummis oder als klassischen Afro-Look. Ihre Haare sind Ausdruck ihrer starken Persönlichkeit, die sie selbstbewusst zeigen kann.

Und wie man ihrer Reaktion auf Sams Liebesbekundungen an ihre Haare entnehmen kann, tut sie genau das. Sie liebt ihre Haare – und schläft daher freiwillig mit Seidenhaube.

© verfasst von A.P. – Mitgründerin von Makito-Box (Mama-Kind-Togo)

Afro, diskriminierung, Gastbeitrag, gleiche Chancen für alle, Haare, Haarepflege, Lockenkopf, Schönheit

Comments (1)

  • Liebe A.P.,
    Danke für diesen tollen Beitrag. Ich habe ihn mit Freude gelesen. Kinder sind die Vermittler zwischen den Kulturen und sollten zu starken Persönlichkeiten erzogen werden. Ganz toll, wie ihr es macht.
    Liebe Grüße,
    Martina

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