Familienbesuch in Peru (Teil 1): Jenseits der Touristen-Spots
Bevor ich zum ersten Familienbesuch bei J.‘s Familie in Peru aufbrach, waren mir bestimmte Rahmenbedingungen, die mich dort erwarteten, schon bekannt: Die Gegend, in der er aufgewachsen ist und wo ein Großteil seiner Familie noch wohnte, gehörte nicht zu den besten Vierteln von Lima. Einfache Häuser aus Lehm und Stein, die zum Teil noch aus der Kolonialzeit stammten. Die Dächer bestanden in der Regel aus Wellblech. Heizung, Dämmung oder Doppelverglasung – Fehlanzeige.
Ein wenig habe ich dieses bereits während meines mehrmonatigen Aufenthalts in Argentinien kennen lernen dürfen. Dennoch bin ich bis zu diesem Zeitpunkt nie so tief in die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Menschen eingestiegen. Warum auch? Schließlich war ich damals Tourist und alles Fremde war Abenteuer. Jetzt war das anders, ich war kein typischer Tourist mehr, sondern auf Familienbesuch. Touristen betraten diesen Stadtteil eher weniger – zu gefährlich. Nicht umsonst sagte J. zu mir: „Ab jetzt nicht mehr fotografieren und wir sprechen nur noch Spanisch.“ Auf mich wirkte eigentlich alles friedlich, wenn auch chaotisch und schmutzig. Das war nicht immer so, erklärte mir J. Als er ein Kind war, lebten hier vor allem Menschen aus der Mittelschicht. Auch viele Polizisten wie es J.s Vater einer war. Heute finden hier mehr oder weniger offene Drogengeschäfte statt.
Wir wurden sehr warmherzig von vielen Familienmitgliedern am Flughafen von Lima empfangen: Schwestern, Brüdern und deren Kindern. Im Haus von J.s Mutter wurde dann für alle gekocht. Das Essen sah sehr lecker aus und ich erkundigte mich, worum es sich bei „Cau Cau“ denn handeln würde. Nachdem mir langsam aus den Erklärungen von J.s Familie klar wurde, dass es sich um Rinderpansen (!!) handelte, reagierte J. geistesgegenwärtig und servierte mir einen Tomatensalat.
Gegen Abend schlug Claudia, eine von J.s Schwestern, vor, auf ein ganz in der Nähe statt findendes Live-Konzert zu gehen. Allerdings gehörte es nicht zu dem Plan, über den normalen Vordereingang das Konzertgelände zu betreten. Die offiziellen Karten waren ohnehin bereits ausverkauft. Claudia sagte, sie kenne verschiedene Personen, die uns schon rein lassen würden. So standen wir am Seiteneingang für Personal und Promis. Es sah allerdings lange gar nicht gut aus und wir dachten schon unverrichteter Dinge wieder nach Hause marschieren zu müssen, als sich plötzlich der Bürgermeister blicken ließ, den Claudia offensichtlich kannte. Er gab den Sicherheitsleuten einen Hinweis uns rein zu lassen. Diese sagten uns, dass wir noch einen Schreibblock (?) zum Betreten des Geländes kaufen müssten. Wie es der Zufall eben will, standen neben uns einige fliegende Händler und einer von diesen verkaufte auch Blöcke. So betraten wir nun mit einem Schreibblock unterm Arm das Konzert. Es war ein unvergessliches Erlebnis, bei dem wir sogar in der ersten Reihe standen und die ausgelassene Latino-Party-Stimmung in vollen Zügen genossen.
Was ist meine Empfehlung für Personen in einer ähnlichen Situation? Wenn man seine Komfortzone verlässt, entdeckt man Welten, die einem sonst für immer verborgen geblieben wären.
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